Selbstverständnis des Netzwerks
Wir verstehen uns als Netzwerk, das nicht nur biologische Mütter, nicht nur Cis-Frauen, sondern auch Trans-Mütter, Adoptivmütter, Sternenkindermütter, Kiwumütter und vor allem auch (Noch)Nichtmütter zusammenbringt.
Wir wollen Personen versammeln, die weiblich gelesen werden und die eine potentielle oder tatsächliche “Mutti” sind –es geht uns also auch um Abfälligkeit und Ent- bzw. Abwertung gegenüber Müttern. Dies zeigt sich beispielsweise prominent im Reden über die erste Bundeskanzlerin Deutschlands.
Weiblich gelesene Menschen werden in unserer Gesellschaft wie in der Wissenschaft mit der Erwartung konfrontiert, dass sie sich gut um andere kümmern können und das auch gerne tun, dass sie also im Kern mütterlich sind –egal ob sie tatsächlich Mutter sind, werden wollen, nicht werden können oder wollen. Dieses Mütterlichkeitsideal führt oft dazu, dass ein – meist prekärer, befristeter und nicht gut entlohnter — Vollzeiterwerbsjob mit einem
unbezahlten Vollzeitjob — der Care-Arbeit — kombiniert wird. Ein gesundes Leben ist so unmöglich.
Auch wenn Frauen das Doppelte leisten, ist ihre Arbeit oft nur halb so viel wert – zumindest aus Perspektive des Wissenschaftsbetriebes. Patriarchale Machtstrukturen, Hierarchien und statusbedingte Abhängigkeiten manifestieren sich intensiver, wenn Frauen* Mütter werden, in Teilzeit gehen und GenderPayGap, Rentenlücken und Ausschlüsse aus dem BoysNetwork erfahren. Dabei wird ihnen oft unterstellt, dass ihnen die Kinder wichtiger sind als die Wissenschaft, der Job oder gar eine Karriere (so what!?).
Das Ideal im Wissenschaftsbetrieb ist nach wie vor der ungebundene Wissenschaftler, der sich – frei von allen Sorge- und Hausarbeiten sowie gesund und unabhängig von der Pflege anderer – ungestört und zeitlich unbegrenzt in seine Forschungen vertiefen kann. Er kann – anders gesagt – in seinem ‚Geist aufgehen‘. Das immer noch männlich konnotierte Genie verkörpert hier den Produzenten von Wissenschaft. Gleichzeitig hat der Körper – als das, auf was die Mutter oft reduziert wird – keinen Platz in der Wissenschaft. Die Bedürfnisse des Körpers werden dabei in der Wissenschaft generell negiert, seine Pflege hintenangestellt. Es werden hier Workaholics hofiert, Wochenenden gelöscht, Feierabende ausgesetzt und Krankheiten (auch die von Kindern) ignoriert.
Was damit einhergeht ist eine generelle Sorgetätigkeitsfeindlichkeit des Wissenschaftsbetriebes, so dass die emotionale Arbeit im Wissenschaftsbetrieb vor allem von Frauen* übernommen und dabei gleichzeitig auch entwertet wird. Gerade in Zeiten von Corona sollten wir über eine Neu-Definition von Fürsorge und Gemeinschaft nachdenken – vielleicht auch gerade im Wissenschaftsbetrieb, denn schließlich sind wir dafür zuständig, Wissen für kommende Generationen zu generieren und zu vermitteln.
Deshalb bringen wir alle mit diesem Netzwerk zusammen, deren Mütterlichkeit mit einer weiblich gelesenen Identität kombiniert ist, und versammeln Verbündete, die die Notwendigkeit einer strukturellen Veränderung ebenso sehen und mit uns für uns solidarisch gegen die disparaten Anforderungen an Mütter und Wissenschaftler*innen kämpfen.